Jive

Quelle: Dance Art direct Tanzschuhversand

Im Jive begegnen sich das Archaische und das Moderne. Er verschmilzt das schamanenhafte Tamtam aus dem Urwald mit dem motorischen Charme eines Vier-Takt-Otto-Motors. Diese prickelnde Mischung versetzt in einen Rauschzustand, der die Arme und Beine des Tänzers wild durcheinander wirbeln lässt. Seine Partnerin ist nur noch ein abstrakter Fixpunkt im Raum und völlig unerotisch. Kulturhistorisch ist der Jive mit der abstrakten, gegenstandlosen Malerei eines Picassos vergleichbar.

Geschichte: Der Jive ist ein Kind des Blues und hat viele Namen: Boogie Woogie, Jitterbug, Bebop und Rock`n`Roll. Sie alle meinen fast das Gleiche und werden lediglich durch geringe zeitliche Unterschiede in der Entstehungsphase von einander getrennt. Der Jive verbindet diese Stile mit einander. Sein Anfang ist am Ende der goldenen Zwanziger Jahre zu suchen. Ein Jahrzehnt, das noch heute von einer legendären, ja sogar mythischen Aura umgeben ist. Die Menschen gaben sich nach dem Ersten Weltkrieg, nach Revolution und Chaos am liebsten nur noch der Musik, dem Tanz und der Freude hin. Deshalb prägte gerade dieses Jahrzehnt die Tanzkultur bis in unsere heutige Zeit. Mit dem schwarzen Freitag 1929, der beginnenden Weltwirtschaftskrise, kam das jähe Ende dieser legendären Dekade.

In Amerika begann gleichzeitig die Ära der Swing-Musik. Eine Musikrichtung, die nichts mehr mit den bisher bekannten Tanz- und Musikarten aus den Zwanzigern zu tun hatte. Bis dahin waren alle Musikstile „Two-Beat-Rhytmen“. Entweder betonten diese den 1. und den 3. – oder den 2. und den 4. Takt. Der Swing dagegen verwendet die afrikanische Offbeat-Technik. Diese betont mit verschiedenen Instrumenten alle Takte. Damit erzeugt sie einen homogenen Viererschlag und eine gleichmäßige Betonung; in etwa so motorisch wie bei einem 4-Takt-Motor. Das gekonnte Wechselspiel von harten und weichen Betonungen auf den vier Takten mit unterschiedlichen Instrumenten erzeugt genau diesen prickelnden „Swing“.

Glen Miller, Benny Goodman, Duke Elington, Count Basey – sie alle kamen mit dieser uralten Technik neu und groß heraus. Der Swing war in jeder Beziehung der Übergang in eine neue Musikepoche. Zwar beeinflusste der Swing ab 1930 auch den Foxtrott und den Quickstep, er konnte diese Tänze jedoch in ihrem Wesen nicht mehr verändern. Diese neue Musikrichtung schrie also regelrecht nach einem eigenen Tanz. Dieser Tanz, ebenfalls Swing genannt, eroberte schnell die westliche Welt. Nur Deutschland nicht, das unter den gleichzeitig aufkommenden Nazis zunächst in tiefe Dunkelheit versinken musste. Der Swing übernahm seinen Grundschritt vom Blues; und das war der Kreuzchassé.

Dieser Schritt wurde der Ursprung für eine völlig neue Art zu tanzen. Der Swing war wie seine Musik hart und weich zugleich. GI’s brachten ihn erst nach 1945 nach Deutschland; und die Deutschen nahmen ihn begeistert auf. Jedoch nicht, weil der Tanz zu dieser Zeit noch groß in Mode war, sondern aus einem verständlichen Nachholbedarf heraus. Der Swing war zu dieser Zeit schon längst überholt.

Es war der Boogie Woogie, der dem Geist dieser Zeit entsprach. Dieser wurde der Welt etwa erst gegen 1938 bekannt, obwohl er von dem Stepp-Tänzer „Pine Top Smith“ bereits gegen 1930 erfunden wurde. Der Boogie-Rhythmus war wie eine Maschine hart, ja sogar metallisch. Er war ursprünglich die Bassbegleitung für den Blues auf dem Piano, die dumpf wie ein Uhrwerk monoton rollte. Dieser Rhythmus ist das Charakteristikum für den Boogie Woogie. Dem Boogie folgte etwa gegen 1945 der Bebop. Wieder ein neuer Musikstil. Nach dem Bebop konnte man aber nicht mehr tanzen; er war zu abstrakt; er produzierte eigentlich nur Klangfetzen und hatte keinen klaren, tanzbaren Rhythmus. Der neue Tanz, der seinen Ursprung in New York beim Boogie hat, war der Jitterbug; in England wurde daraus schließlich der Jive. Ab 1945 wurde der Tanz auch Bebop genannt, nicht zu verwechseln mit der Bebop-Musik, und seit 1955 Rock`n’ Roll. Im kontinentalen Europa blieb man jedoch bei seiner alten Bezeichnung „Boogie“. Er war der eigentliche „Volkstanz“ der Jugend – und die tanzte den Boogie mit all seinen Härten und Mechanisierungen dennoch sehr spielerisch. Seine schwarzen Wurzeln kann und will dieser dynamische Tanz aber nicht verleugnen.

Der Jive in seiner heutigen Form entstand in Harlem, dem schwarzen Ghetto von New York. Auf dem berühmten Harvest Moon Ball dort hatten sich viele uralte Tanzelemente erhalten. Dort hebte und senkte man die Tanzpartnerin schon seit langem. Man fand dort auch Saltos, Sprünge und Kicks in Hülle und Fülle; eben alles, was beimTanzen Laune und Freude bereitete und was sehr typisch für den Rock`n’ Roll unsere Tage ist. Der Boogie ist aber kein Tanz, der sich in definierten Schritten und festen Figuren erschöpft. Seinem Wesen nach ist er offen für neue Variationen, er verschließt sich auch nicht gewagten Experimenten und kühnen Figuren. Er ist wie geschaffen für die freie Variation. Noch um 1940 war man darüber entsetzt. Doch der Rock’n’Roll war nun aber mal entstanden und nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Er war die zum Tanz gewordene Verkörperung seiner Zeit; er war revolutionär, wild, ungezügelt und der kulturelle Ausdruck für eine neue Nachkriegsgeneration, die nach neuen Ufern strebte. Für diese neue Jugend waren die Tänze ihrer Eltern kein geeignetes Ausdrucksmittel mehr; und so ergaben sie sich dem Taumel einer neuen Zeit.

Für die Eltern war diese neue „Bewegung“ so ziemlich das Abscheulichste, was man einem Tanzboden antun konnte. Was man dort sah, war für sie in ihrem streben nach Harmonie nicht mehr greifbar. Die Musik von Elvis Presley, Bill Haley und Little Richards gaben ihnen den Rest; diese Musik klang für sie wie der Lärm in einer Fabrik. Deren monotonen Rhythmen versetzen ihre Kinder in Ekstase. Das machte ihnen Angst. Bald kamen zu allem Überfluss auch noch Rockbands hinzu, die ihre heiligen Tanzsäle respektlos zertrümmerten. Man sprach von „Rockern“, die auf Motorrädern die Gegend unsicher machten. Für Menschen, die zwei Weltkriege erlebten, eine verständliche Reaktion. Mit Tanz und Musik hatte das alles für sie nicht mehr viel zu tun. Doch die Musik ist sicher nicht schuld daran, wenn eine orientierungslose Jugend nach neuen Wegen sucht, um sich Gehör zu verschaffen.

Der Jive ist die gezügelte Variante dieser wilden Zeit. Er ist kein einfacher Tanz. Er ist aufgrund seiner Geschichte voller Gegensätze. Kalt, heiß, ekstatisch und mechanisch zugleich. Unter allen modernen Tänzen verschafft er den stärksten Rauschzustand. Jedoch einen völlig unerotischen, der ganz und gar aus dem Spiel der Glieder kommt, die wild verrenkt durch den Raum fliegen, in dem sich der Tänzer im Grunde völlig allein befindet. Der Raum bietet kein Ziel; oben und unten spielt keine Rolle. Die Partnerin ist lediglich ein hilfreicher Beziehungspunkt im Raum. Subtile Erotik ist hier fehl am Patz. Was zählt sind spektakuläre Showeffekte aus Form und Farbe; das ist wirklich typisch amerikanisch. Daher könnte man ihn ohne weiteres mit einem abstrakten Bild von Pablo Picasso vergleichen. Der Jive ist seit 1968 im Turnierprogramm und seit 1968 im Welttanzprogramm.

Rhythmus: Auf jeden Taktschlag werden 1 oder 2 Schritte getanzt, beispielsweise beim Grundschritt: 1, 2, 3+4, 5+6

Tempo: 32 - 40 Takte pro Minute, Turniertempo: 44 Takte pro Minute

Bekannte Figuren: